Wolfsschäden ohne Ende – amtlich belegt
Seit einigen Tagen steht dem interessierten Leser mit dem Bericht „Wolfsverursachte Schäden, Präventions- und Ausgleichszahlungen in Deutschland 2019“ der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) neues Informationsmaterial zum Rissgeschehen des vergangenen Jahres zur Verfügung.
Die darin enthaltenen Zahlen zu Rissen von Weidetieren und den damit verbundenen Kosten für Herdenschutz und Schadensausgleich sind im Vergleich zu den Vorjahren bundesweit so stark angestiegen, dass dies auch einigen überregionalen Medien eine Nachricht wert war.
Ein solcher Bericht erhebt zuerst zwei Ansprüche: Vollständigkeit und Richtigkeit.
Die veröffentlichte Grafik zum Rissgeschehen zeigt auf den ersten Blick, dass sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzt und die Schäden weiterhin ungebremst und schneller als der Wolfsbestand in Deutschland zunehmen:
Abb. 1: Entwicklung der wolfsverursachten Nutztierschäden in Deutschland von 2000 bis 2019. Die Sicherheit, Übergriffe dem Wolf zuzuordnen, variiert zwischen den Bundesländern.
Eine Darstellung der Relation von Schadensentwicklung und Wolfsbestand wird tunlichst vermieden, kann aber durch wenige Zahlen verdeutlicht werden:
So betrug die Zunahme des nachgewiesenen Wolfsbestandes seit 2015 knapp 24 % p.a.. In der gleichen Zeit bewegte sich die Zunahme bei offiziell gemeldeten Wolfsrissen und davon betroffenen Tieren deutlich über 40 %. Bei beiden Werten handelt es sich um absolute Mindestzahlen, wenn man die deutliche Relativierung im Text des Berichtes nachliest. Nach Aufzeichnungen der www.wolfszone.de liegt die Dunkelziffer bei den gemeldeten Rissen im Jahr 2019 bei mindestens 15% ohne eine kritische Betrachtung unklarer oder fragwürdiger Eintragungen in den Risslisten der Länder.
Auf die föderale Gestaltungsfreiheit der Bundesländer im Umgang mit Förderung, Herdenschutz, Prävention und Anerkennung von Wolfsrissen weist der Bericht deutlich hin. Die Darstellung der vielfältigen Auslegungen umfasst insgesamt 18 Seiten und stellt den eigentlichen Wert des Berichts dar. Im direkten Vergleich der Länder werden an vielen Stellen mangelnde Sachkenntnis und fehlender Wille zu klaren rechtssicheren Regeln sichtbar. Es wäre eine gute und sinnvolle Aufgabe der DBBW, hier gemeinsam mit allen Bundesländern gemeinsame Standards zu erarbeiten. Das aber ist nicht Aufgabe der DBBW. Man sammelt die Daten und stellt sie alljährlich neben den ungeprüften Zahlen im vorliegenden Werk zusammen.
Dafür nimmt man in diesem Bericht für sich in Anspruch, bestimmte Dogmen des Wolfsschutzes in Bezug auf die Weidetierhaltung regelmäßig mit geringen Abweichungen zu wiederholen, einige Beispiele:
-Herdenschutz gehört überall dort zur guten fachlichen Praxis der Nutztierhaltung, wo Wölfe dauerhaft vorkommen.
Dieser Satz ist nicht abzustreiten, aber zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass überall dort, wo in anderen Ländern Wolf UND Weidetierhaltung funktionieren, der Abschuss schadenverursachender Wölfe zum Herdenschutz dazugehört
-Um die Probleme dauerhaft möglichst gering halten zu können, ist der flächendeckende Schutz von Schafen und Ziegen im Wolfsgebiet notwendig.
Wer diese Forderung aufstellt, hat
erstens zu erklären, wer hierfür die kompletten Kosten übernimmt UND die den Tierhaltern entstehende Mehrarbeit angemessen entlohnt und sich
zweitens mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Folgen die flächendeckende Zäunung des Weidelandes in Natur- und Landschaftsschutzgebieten für den Schutzzweck im Allgemeinen und die dort lebende Kleinfauna im Besonderen hat.
-Mit der Rückkehr der Wölfe in ihre ehemaligen Verbreitungsgebiete tauchen die Wolf-Nutztier-Konflikte wieder auf. Die Art und Weise der Nutztierhaltung muss dort wieder an die Anwesenheit von Wölfen angepasst werden.
Diese Probleme tauchen nicht wieder auf. Das Problem entsteht heute neu, weil es die heutige Kulturlandschaft, deren ökologisch wertvollste Teile durch extensive Beweidung erhalten werden, erst Jahrhunderte nach der Verdrängung des Wolfes aus dem heutigen Deutschland entstanden ist. Die Frage hier ist nicht die Anpassung der Nutztierhaltung, sondern ein rechtzeitiges Management der Wolfpopulation.
-Bei fachgerechter Anwendung von Herdenschutzmaßnahmen gehen in der Regel auch die wolfsverursachten Schäden zurück.
Hier schafft der Blick vor die Haustür der DBBW in die Landkreise Görlitz und Bautzen Klarheit, wenn man sich die unabhängig ermittelten Risszahlen der letzten 4 Jahre ansieht:
*Risse, bei denen der Wolf als Verursacher nicht auszuschließen ist
Diese Zahlen in zwei Landkreisen mit geringer Weidetierdichte und seit vielen Jahren flächendeckendem Wolfsvorkommen sprechen für sich. Ob der erste Rückgang der Risszahlen in der Region nach vielen Jahren bereits eine Trendwende sein kann, bleibt dahingestellt.
Einen Nachweis bringt der Bericht in jedem Fall: Auch nach 20 Jahren Wolf hat Deutschland nicht ansatzweise ein wirksames Wolfsmanagement. Den damit betrauten Personen und Behörden fehlen offenkundig Wille und Fähigkeiten dieser Aufgabe nachzukommen.